10-Jahres-Jubiläum der Österreichisch-Slowenischen Handelskammer
Osteuropaexperte Paul Lendvai hielt einen Festvortrag zum Wirtschaftswunder Slowenien


Graz (13.05.2009) - Die Österreichisch-Slowenische Handelskammer (ÖSHK) feierte heute ihr zehnjähriges Bestehen und hunderte Vertreter aus Wirtschaft und Politik, darunter auch Altlandeshauptmann Josef Krainer und Altbürgermeister Alfred Stingl, kamen in den Grazer Messe Congress, um dem Jubilar die Ehre zu erweisen. Im Mittelpunkt der Feierlichkeit stand ein Festvortrag von Journalistengranden und Osteuropakenner Paul Lendvai zum Wirtschaftswunder Slowenien.
In seiner Eröffnungsrede, der eine gesangliche Darbietung des Mariborski oktet vorangegangen war, würdigte August Jost, Vorstandsdirektor der Steiermärkischen und ÖSHK-Präsident, Slowenien als starken Partner nicht nur für die Steiermark, sondern auch in der Europäischen Union. So habe unser südlicher Nachbar als eines von wenigen ehemals kommunistischen Ländern einen „sanften Weg in die Marktwirtschaft ohne jegliche Schocktherapie" gefunden. Auch lobte er die Professionalität, durch die sich Slowenien während seiner Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2008 auszeichnete. Vor dem Hintergrund des von Pannen behafteten tschechischen Ratsvorsitzes sei diese Leistung besonders hervorzuheben. Im Anschluss revanchierte sich Ales Pulko, Vizepräsident der Österreichisch-Slowenischen Handelskammer und Präsident der Gewerbekammer Maribor, für die anerkennenden Worte und bedankte sich für die Unterstützung Österreichs bei der Annäherung Sloweniens an die Europäische Union.
Höhepunkt des Abends war ein Festvortrag von Osteuropaspezialisten Paul Lendvai, der unter den interessierten Blicken von Walburga Beutl und Barbara Gross, ihres Zeichens Zweite und Dritte Landtagspräsidentinnen, Altlandeshauptmann Josef Krainer und GRAWE-Generaldirektor und ÖSHK-Vizepräsident Othmar Ederer, über Chancen und Risken in Südosteuropa am Beispiel des Wirtschaftswunders Slowenien referierte. Wie sein Vorredner sah auch Lendvai Slowenien als Erfolgsgeschichte, lag doch seine Wirtschaftsleistung in den vergangenen fünf Jahren stets zwischen drei und sieben Prozent im Plus. Griechenland etwa, das nie kommunistisch war, sei heute weder politisch so stabil noch wirtschaftlich so erfolgreich wie der EU-Neuling, gab der gelernte Europäer zu bedenken. Überhaupt überrage Slowenien in wirtschaftlicher Hinsicht die anderen neun neuen Mitgliedsstaaten, wenngleich die Krise, wie auch sonst überall, nicht spurlos an dem Land vorüberziehen werde. Schade fand der Professor allerdings, dass Slowenen und Kroaten, die einst gemeinsam den Weg aus dem serbischen Hegemonieanspruch suchten und fanden, bisher den Grenzstreit um die Bucht von Piran nicht beilegen konnten.
Trotz der positiven Worte über die Osterweiterung der Europäischen Union, von der insbesondere Österreich profitiert habe - die österreichischen Exporte seien in der letzten Dekade um das Vierfache gestiegen -, wies Lendvai auch auf Gefahren hin, die in Osteuropa lauern. So seien Rumänien und vor allem Bulgarien, das einst verlässliche „Preußen des Balkans", Dorados für Kriminalität und Korruption geworden. Punkto Türkei neigt Lendvai zu der Haltung von Nicholas Sarkozy und Angela Merkel, die statt einem Vollbeitritt eine privilegierte Partnerschaft vorschlagen. Vor einer zusätzlichen Erweiterungswelle müsse die EU ihre Hausaufgaben machen: „Die gemeinsame Aufnahme von zehn Staaten war vielleicht etwas voreilig. Das lässt sich zwar nicht rückgängig machen, aber dafür muss Europa jetzt weniger in die Breite und mehr in die Tiefe gehen."
Nach dem Fachvortrag von Professor Lendvai wurde der offizielle Teil der Veranstaltung mit einer süßen Überraschung beendet: Bevor Präsident Jost das Buffet eröffnete, gab es für die auf der Bühne versammelten Vorstandsmitglieder der Österreichisch-Slowenischen Handelskammer eine „Geburtstagstorte".
Gernot Walter / "europe direct" Steiermark/ Fachabteilung Europa und Außenbeziehungen