Ab 1. Mai 2011 gilt erweiterte Arbeitnehmerfreizügigkeit
Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für zehn Staaten
Arbeitsmarktöffnung: EU fürchtet Nachteile für Oststaaten
Wien - Ab 1. Mai 2011 dürfen auch Bürger aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen unbeschränkt in Österreich und Deutschland arbeiten. Diese Länder im Nordosten und Osten der EU sind seit 2004 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 2007 traten Rumänien und Bulgarien bei, deren Bürger dürfen die Arbeitnehmerfreizügigkeit erst ab 2013 in Deutschland und in Österreich nutzen. Die ungarische Ratspräsidentschaft lud über dieses - in Österreich durchaus kontroversiell diskutierte - Thema kürzlich zu einer Enquete in die Amtsräume der ungarischen Botschaft in Wien.
EU-Sozialkommissar László Andor zeigte sich bei seinem Vortrag eher um die Herkunftsländer als um die Zielländer der Arbeitsmigration besorgt: Wenn ein "Brain Drain" in gewissen Sektoren, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich, eintrete, müssten sich die betreffenden Länder und die EU Maßnahmen und Anreize überlegen, um die qualifizierten Kräfte im eigenen Land zu halten, sagte Andor. Für Österreich hingegen erwartet das ungarische EU-Kommissionsmitglied durch die zusätzlichen Arbeitskräfte aus den genannten Ländern eher keine negativen Auswirkungen.
Auch für Rumänien und Bulgarien hätte eine Arbeitsmarktöffnung schon früher stattfinden können: "Die Angst vor diesen beiden Ländern ist übertrieben", so Andor. Es gebe ja bereits jetzt viele Arbeitskräfte aus diesen Ländern, und eine offizielle Öffnung könne eine legalisierende Wirkung haben, wenn Schwarzarbeit in ordnungsgemäße Arbeitsverhältnisse mit Sozialversicherung überführt werde, führte Andor Argumente für eine frühere Arbeitsmarktöffnung an.
Angesprochen auf die Arbeitsmarktlage in Österreich lobte der Kommissar das Land als eines der Vorzeigeländer in der EU. Andere EU-Länder mit hohen Arbeitslosenraten, insbesondere mit weit höherer Jugendarbeitslosigkeit, könnten von Österreich lernen. Als verbesserungswürdig bezeichnete er die Beteiligung Älterer am Arbeitsleben, diese sollte gehoben werden. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen müsse verbessert werden. Besonders bei der Rückkehr von Müttern ins Berufsleben gebe es hier noch einiges zu tun.
Österreichs Sozialminister Rudolf Hundstorfer betonte, dass für alle Arbeitnehmer in Österreich ein gut funktionierendes Sicherheitsnetz gespannt sei. Das beginne bei der Kontrolle der Einhaltung von Kollektivverträgen, ende aber dort, wo Schwarzarbeit mit Augenzwinkern geduldet - ja, gefördert werde. "Und ein sehr großer Teil dieser Schwarzarbeit findet in Privathaushalten statt", appellierte der Minister, unter anderem von den Möglichkeiten der Dienstleistungsschecks Gebrauch zu machen.
EU-Kommissar will Qualität der neuen Arbeitsplätze steigern
Der Botschafter der Republik Ungarn in Österreich, Vince Szalay-Bobrovnicky, zeigte sich mit Richard N. Kühnel, dem Leiter der Ständigen Vertretung der EU in Österreich und dem EU-Kommissar einer Meinung: "Diverse Ängste in Österreich sind unbegründet!" Es werde in den kommenden Wochen darum gehen, mit Sensibilität das Thema zu diskutieren.
Neben der Öffnung des Arbeitsmarktes spiele auch die Strategie Europa2020 eine große Rolle, mit deren Hilfe eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen werden könne. Besonderes Potential sieht Andor in der Informatik und in den Sozial- und Gesundheitsberufen. An die jungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer appellierte er, Auslandserfahrungen zu sammeln. 40 Prozent sind überzeugt, dass es wichtig ist, außerhalb des Heimatlandes zu arbeiten. "Aber nur 2,7 Prozent tun es!", mahnte der EU-Politiker mehr Mobilitätsfreude ein.
Der EU-Kommissar verwies in seinem ausführlichen Statement auch auf die Frage der "Qualität des Aufschwungs": Es sei von größter Bedeutung, die derzeit in zahlreichen Regionen und Ländern herrschende Jugendarbeitslosigkeit besonders intensiv zu bekämpfen. Gleichzeitig warnte Andor davor, die Lage der europäischen Roma zu unterschätzen. Hier müsse ein holistischer Ansatz gewählt werden, um dem Problem der exorbitanten Arbeitslosigkeit dieser Volksgruppe erfolgreich zu begegnen.
(europedirectsteiermark/APA-OTS)