Café Europa bringt Experten-Analyse der Wahlergebnisse in Slowenien und Kroatien


Graz, 5.12.2011. - Zu einer Experten-Diskussion, die die geschlagenen Wahlgänge in Slowenien und Kroatien beleuchteten, luden gestern, 5.12.2011, die Fachabteilung für Europa und Außenbeziehungen und „europe direct" gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Südosteuropa. Dessen Leiter, Universitätsprofessor Florian Bieber, führte kompetent und engagiert durch den Abend.
Niko Toš, Direktor des Zentrums für Meinungsforschung und Massenkommunikation in Laibach sowie Autor mehrerer Bücher, ließ mit seiner Analyse aufhorchen als er meinte, dass Slowenien und Österreich sehr viel gemeinsam hätten. Diese Behauptung untermauerte er mit Statistiken, die deutlich machten, dass die Bevölkerung beider Staaten ihre Prioritäten in Bezug auf Werte, wie z.B. Arbeit, Freizeit, Familie usw. ähnlich gewichten würden. Erfreut zeigte er sich darüber, dass die Grundstimmung der Slowenischen Bevölkerung eine „glückliche Tendenz" nach oben spüren lässt, wenngleich die Einstellung ähnlich negativ wie in anderen EU-Staaten gegenüber der Politik, deren Institutionen, aber auch der Demokratie verläuft. Seine konkrete Betrachtung in Bezug auf die geschlagenen Wahlen zeichnete der Experte sehr differenziert. Er machte deutlich, dass die Wahlen eine historische Dimension bedeuteten, weil die Partei "Positives Slowenien" des Bürgermeisters der Hauptstadt Ljubljana, Zoran Janković, auf Anhieb stimmenstärkste Partei wurde und dass die Partei von Ex-Premier Janez Jansa nicht nur nicht gewonnen - sondern ein Debakel erlitten hätte.
Tomislav Jackić, Berater des ehemaligen Präsidenten Stjepan Mesić zeigte sich erfreut darüber, dass in Österreich ein so großes Kroatien- Interesse vorherrsche. Zu den Wahlen warf der Korrespondent verschiedener kroatischer Medien vorerst einen Blick in die Vergangenheit, bevor er das Wahlergebnis analysierte. Dabei erinnerte er daran, dass die Tudjman-Partei über Jahrzehnte das Land regierte und diesmal erst zum zweiten Mal abgewählt wurde. "Diesmal wusste man auch mit Sicherheit schon vorher, dass man wegen der offensichtlichen Korruption und der nicht eingehaltenen Versprechen abgewählt werden würde", so der Experte wörtlich.
Er bedauerte dazu, dass die Wahlen und die Kommentare verschiedener Oppositioneller die Spaltung nun betoniert hätten, anstatt Lösungen vor Augen zu haben. Die 4er Koalition hätte gewonnen, weil die ehemalige Regierung nicht mehr wählbar gewesen wäre, nicht jedoch wegen ihrer Programme und Persönlichkeiten.
Auch der Südosteuropa-Korrespondent Norbert Mappes-Niediek sah beide Wahlgänge sehr differenziert. Einerseits meinte er, dass die Sozialdemokraten schon vor den Wahlen ein Debakel erlitten hätten und dass Slowenien immer eine sehr instabile politische Landschaft gehabt hätte. Man hätte aber insbesondere während der Wirtschaftskrise 2008/2009 einen Zerfall des Sozialsystems bzw. Netzes abgewehrt und hätte dafür die nunmehrige enorme Staatsverschuldung in Kauf genommen, die es nun abzubauen gilt.
Auf einen interessanten Aspekt wies der internationale Journalist eindrucksvoll hin indem er meinte, dass die Faktoren des „Kroatischen Mainstreams" nämlich „konservativ, national, katholisch" von keiner Partei abgeholt würden, ja dass man auch offensichtlich nie auf die Idee gekommen sei, eine christliche Partei wie etwa die CDU in Deutschland zu gründen.
Tos´ meinte abschließend, dass der Wahlausgang jedenfalls einen wesentlichen positiven Meilenstein für Kroatien in Bezug auf seinen EU-Beitritt bedeutete und dass sich die neue Regierung mit Sicherheit an das Verhandlungsergebnis halten würde, was bei einer anderen Regierungszusammensetzung fraglich gewesen wäre.
Mappes- Niediek erläuterte in seinem Schlusswort, dass es mit Kroatien noch Probleme bei der Ratifizierung des Beitritts, möglicherweise mit Bulgarien oder Rumänien, geben könnte. Er zeigte sich überzeugt davon, dass die Sozialdemokraten bei den nächsten Wahlen in Slowenien nicht als Sieger hervorgehen würden.
Im selben Atemzug prognostizierte er auch für Kroatien eine Abwahl der Regierung bei den nächsten Wahlen, würden alle notwendigen Reformen umgesetzt werden.
Bericht: Ferdinand Krainer, Europa- Fachabteilung des Landes Steiermark.
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