Europatags-Ausklang im ORF-Landesstudio Steiermark
Landesrat Buchmann zog zufrieden Bilanz über einen Tag mit Zukunftsperspektiven


Graz/Zagreb/Murau (9. Mai 2012) Ob das geht? Eine Brücke zwischen Komusina in der kroatischen Gespanschaft Pozega und dem idyllischen obersteirischen Murau zu spannen? Europa macht es möglich: In Begleitung ihres Bezirkshauptmannes Dr. Wolfgang Thierrichter kam ein aus drei Generationen bestehender Chor in das ORF-Landesstudio, um den Abschlussabend des steirischen Europatages mit zu gestalten. Der Chor erschien in prachtvoller kroatischer Tracht, und er kam aus Murau, wie Gernot Rath, der Moderator des Abends zur Überraschung vieler der zahlreichen Gäste preisgab. Was jetzt? Kroaten? Oder doch Steirer?
Es sind waschechte Kroatinnen und Kroaten. Und: es sind waschechte Steirerinnen und Steirer. Rath löste das Rätsel, in dem er von den kroatischen Wurzeln der Chormitglieder berichtete, die nach den Wirren der Jugoslawienkrise in der Steiermark ansässig wurden. "Heute sind sie hier heimisch, sie leben aber ihre Traditionen auch zur Freude des Publikums weiter."
Als Gastgeber des Abends mahnte Landesrat Dr. Christian Buchmann die europäische Dimension ein und machte deutlich, dass Europa mehr als ein Friedensprojekt sein müsse: "Wir brauchen Wachstum und wir müssen dafür sorgen, dass Sicherheitsdenken zu echter Stabilität führt. Kroatien gelte als ein erweiterter Heimmarkt für die steirische Wirtschaft und viele Arbeitsplätze in der Steiermark hängen direkt mit der Kooperation mit unserem südlichen Nachbarn zusammen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Arbeit im Europaressort heuer auf Kroatien. Kroatien zählt bereits jetzt zu den wichtigsten Exportmärkten der Steiermark. Ich sehe aber für die Zukunft noch weiteres Potenzial für Kooperationen in wirtschaftlicher, aber auch in kultureller Hinsicht. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen", so Landesrat Buchmann.
Der Direktor des ORF-Landesstudios, Gerhard Draxler, wies in seinen Grußworten auf zwei Jubiläen hin, die in einem engen Konnex zu Kroatien stünden: "Das als 'Alpen-Donau-Adria' gegründete Magazin ist heuer 30 Jahre alt geworden, und seit 20 Jahren gibt es 'Nachbar in Not'." Draxler war es auch, der daran erinnerte, dass Europa manchmal zu technokratisch daherkomme, es fehle "oft genug die emotionale Komponente". Nun, davon sollte an diesem Abend doch Einiges kommen.
Geteilte Vergangenheit mündet in gemeinsamer Zukunft
Nadežda Čačinović, Professorin am Ästhetik-Institut der Agramer Universität und Präsidentin des kroatischen PEN-Clubs, bezog klare Positionen: "Wir haben zwar eine geteilte Vergangenheit, aber wir haben nunmehr eine gemeinsame Zukunft", schrieb sie den Skeptikern ins Stammbuch. Der Kern der kroatischen Sehnsucht bestand aus einem Keim der Friedenshoffnung und dem Wunsch nach einer harten Schale namens sozialer Sicherheit, und es war nicht leicht, den langen Weg dorthin angesichts verordneter nachbarlicher Abkürzungen zu verstehen. Da gab es schon auch Verärgerung von Zagreb bis Split, die es nun auf den letzten Metern in Richtung eines vereinten Europa zu überwinden gelte. "Unser Ziel ist das zusammen Handeln, nicht nur der Staaten und Regionen, sondern das zusammen Arbeiten der Einzelnen. Täglich und stündlich!", forderte sie zum Tun.
Das Zagreber Jazzensemble unter Sigi Feigl fand naturgemäß die richtigen Töne als Überleitung zum ersten Diskussionspanel über Arbeit, Wirtschaft und Medien, den Kommerzialrat Franz Olbrich-Krampl von Tondach Gleinstätten einbegleitete. Der Unternehmer machte deutlich, dass ein Gutteil des Konzernerfolges wohl darin begründet sei, dass das Management den Kontakt zu den Menschen des jeweiligen Landes haben müsse: "Und das funktioniert am besten, wenn das Management selbst aus dem jeweiligen Land kommt!" In Kroatien habe man die besten Erfahrungen gemacht.
Univ.-Professorin Karin Schmidlechner-Lienhardt verwies dem Motto des Abends gemäß auf das wichtige Faktum, dass "in einem Konzept des Gemeinsamen die Mobilität eine gewichtige Rolle" spiele. Sie sehe hier eine Gefahr der "Ausgrenzung der anderen Art" – wenn nämlich Mobilität von den Eliten arrogiert werde und weniger gut Situierte kaum die Chance hätten, sich außerhalb ihrer Region beruflich zu bewehren.
Klaus Schweighofer als Vorstand des Styria-Konzerns brachte die mediale Note in die Debatte ein: Es sei für ein Zeitungsunternehmen von essenzieller Bedeutung, "unabhängigen Journalismus abzusichern", und das sei aufgrund bestimmter gelebter Traditionen nicht immer ganz einfach. Aber das kenne man auch von anderswo, konnte er sich einen Sidestep nicht verkneifen ... In Kroatien ist die „Styria" Alleinaktionärin der Traditions-Tageszeitung „Večernji list" und hat mit der Tageszeitung „24 sata" das erfolgreichste Blatt im Land gelauncht. Zum „Styria"-Portfolio zählen außerdem die erste kroatische Wirtschafts-Tageszeitung „Poslovni dnevnik", das größte TV-Magazin des Landes „TV tjedan" und das Internet-Suchportal „njuskalo.hr".
Die Wertediskussion ist "grenzenlos und ansteckend"
Den abschließenden Panel gestalteten die Universitätsprofessorinnen Renate Kicker und Robert Maierhofer mit dem Grazer Kultur-Urgestein Max Aufischer. Renate Kickers Aufgaben als internationale Beobachterin der Menschenrechte beeindrucken ja auch heute noch. Ihre Recherchen in Gefängnissen und Polizeistationen gelten als legendär. Die heutige Situation der Menschenrechte in Kroatien sei weitgehend gut, lobte sie. Kicker verwies aber auch darauf, dass schon noch passieren könne, dass in heiklen Situationen die Nerven einen Strich durch die Menschenrechte machen.
Die Grazer Universitäten waren sehr bald vor Ort: "Warten war für uns kein Thema", erklärte Maierhofer die offensive Vorgehensweise, die zu besonders guten Kontakten mit zahlreichen Universitäten in Kroatien und darüberhinaus geführt haben.
Ein besonderer Erfolg sei die Einführung des "Joint Degree": Ein Studienabschluss an einer kroatischen Universität gelte wie ein akademischer Grad der Grazer Karl-Franzens-Universität und vice versa.
Aufischer erinnerte an die Anfänge der Kooperationen mit Jugoslawien, zog vor Hanns Koren den rhetorischen Hut, nannte Manfred Willmann, Trigon und den steirischen herbst und fand abschließend zum Heute: Es müsse wieder gelingen, die Grenzen zu minimieren, ohne dass gleich neue Grenzen enstünden. Mobilität und Werte seien untrennbar, und daher sei eine Wertediskussion inmitten unserer immer dichter werdenden Vielfalt "grenzenlos und ansteckend".
Josef Bauer
Bilderbogen zum Ausklang des Europatages im ORF Landesstudio







