Wie erhalten wir Vertrauen in Europa?
Władisław Bartoszewski mit Erhard Busek und Hannes Swoboda im Rahmen der „Akademie Graz“


Graz.- „Visionen im Gedankenaustausch führender Köpfe“– unter diesen Titel hatte der Präsident der „Akademie Graz“, Emil Breisach, die Diskussionsrunde im Grazer Minoritensaal gestellt, zu der er für Samstag, 14. Jänner 2006, den früheren polnischen Außenminister, Historiker und Publizisten Władisław Bartoszewski gewinnen konnte, der unter der launig-diplomatischen Moderation von Bernd Schilcher mit Erhard Busek und Hannes Swoboda vor mehr als 200 Interessierten seine Standpunkte darlegte. Obgleich alle drei Diskutanten als „glühende“ Europäer bekannt sind, versprach die Zusammenstellung Spannung. Veranstaltet wurde diese Diskussion von der Akademie Graz unter Mitwirkung der Fachabteilung 1E – Europa und Außenbeziehungen des Landes Steiermark, der Urania und des Kulturzentrums bei den Minoriten.
Es verwunderte nicht, dass Österreichs früherer Vizekanzler Busek, nunmehr als Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa tätig, dem polnischen Grandseigneur Bartoszewski gleich eingangs widersprach: Er, Busek, könne das Wort von der Krise nicht mehr hören. Vielmehr sollte doch gefragt werden, was Europa durch das Zusammenwachsen an Positivem zufalle. Sei etwa der Frieden am Balkan nichts wert, was würde ein Krieg in dieser Region kosten? Oder seien die Nachbarschaften des neuen Europa ohne Bedeutung, in denen man sich ungezwungen bewegen könne!? Welch Reichtum sei doch die Vielfalt, zu der so viele nunmehr leichtest Zugang haben – zur Vielfalt der Kulturen, der Kulinariken oder der Sprachen: „Bewahren wir uns das!“ appellierte er unter dem Applaus des Publikums.
Nun, diese EU-phorie goutierte der geschäftsführende SPE-Vorsitzende Hannes Swoboda zwar sichtlich, widersprach aber subtil: Er sehe eine „Vertrauenskrise“ in weiten Teilen der Bevölkerung, bedauerlicherweise ganz besonders in Österreich. Und diese Art von Krise müsse man besonders ernst nehmen, da diese die Tendenz zur Verstärkung in sich trage.
„Vertrauen“ war denn dann auch das Wort des Abends, um das sich alles drehte.
Freilich war in diesem Zusammenhang die Verfassung für das geeinte Europa ein Thema. Der Sozialdemokrat Hannes Swoboda überraschte insofern, als er sich „eine neue Debatte“ wünschte – „eventuell über eine Verfassung mit einer Sozialstaatsklausel, wie von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagen!“.
Bartoszewski forderte mittelfristige Strategien ein. Wenn die Bevölkerung Vertrauen fassen soll, dann müsse sehr bald die Richtung der ökonomischen und sozialen Entwicklung der Union klar sein. Die Erweiterungsstrategie müsse davon ausgehen, dass Verständnis erzielt werde vor allem darüber, dass „die EU an ihren Grenzen keine instabilen Systeme dulden dürfe“. Armut und deren negative Folgen kosteten mehr als deren rechtzeitige Vermeidung durch Integration betroffener Regionen. Die Förderung des Wirtschaftswachstums und der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit seien weitere Politikfelder, die klare Strategien und damit zielgerichtete Arbeit der Verantwortungsträger erforderten, betonte der frühere polnische Außenminister, der sich unter anderem auch als „stiller Vermittler auf der Seite Österreichs in der Zeit der Restriktionen“ zu erkennen gab. Der österreichischen Ratspräsidentschaft komme in den kommenden Wochen und Monaten eine besondere Mittlerrolle zu und er, Bartoszewski, habe Vertrauen in Österreich.
Zitate
„Vertrauen entsteht dann, wenn man einander kennt.“
– Erhard Busek
„Wir müssen das Positive darstellen. Das macht ja fast niemand in diesem Lande!“
– Hannes Swoboda
„Was können die Österreicher? Sie können sehr sympathisch sein – fast wie eine schiache Braut ohne Geld.“
– Władisław Bartoszewski
„Ich erkläre Sie zum Ehren-Österreicher!“
– Bernd Schilcher an Bartoszewski, der zuvor auch seine vielfältigen Beziehungen zu Österreich und ganz besonders zu Graz dargestellt hatte.
Graz, am 16. Jänner 2006
Für Rückfragen steht Ihnen als Verfasser bzw. Bearbeiter dieser Information Josef M. Bauer unter Tel.: (0316) 877-4214 Fax: (0316) 877-3629 E-Mail: josef.bauer@stmk.gv.at zur Verfügung