Risikoforscher Kromp plädiert: „Krško dringendst auf Erdbebengefahr untersuchen!“
„Café Europa“ in Graz diskutierte Ausstieg aus der Kernkraft


Graz (14.04.2011) - Die Europaabteilung der Landesregierung lud gemeinsam mit der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft für Steiermark zu einem „Café Europa" in Graz. Gestern Abend (13.04.2011) diskutierten im Medienzentrum des Landes John Sottong, Technischer Direktor der US-Umweltschutzagentur aus Washington, der Risikoforscher Wolfgang Kromp von der Boku in Wien und Europarechtler Reinhard Rack von der Uni Graz die derzeit wohl brennendste Frage - wie sieht unsere Energiezukunft aus? Welche Lehren gilt es aus Fukushima zu ziehen?
Kromp plädierte unter anderem dafür, Krško dringendst auf die tatsächliche Erdbebengefährdung zu untersuchen. Dabei sollten neueste Methoden aus Amerika angewendet werden. Der Ausstieg aus der Kernkraft sei notwendig, appellierte er und betonte, es gäbe auch in Europa die Gefahr von verheerenden Vernichtungsbeben. Weder Krsko noch das ungarische Paks seien davor gefeit, und es müssten noch eine Reihe anderer genannt werden.
John Sottong verwies auf hervorragende Leistungen der „Environmental Protection Agency", die etwa bei Untersuchungen in 12.000 US-Unternehmen ein gewaltiges Energiesparpotential zugänglich gemacht haben. Ein quasi institutionalisierter Info-Transfer von Konzern zu Konzern und von Kleinunternehmen zu anderen führe dazu, dass sehr rasch und höchst effektiv Maßnahmen gesetzt werden könnten.
Univ.-Prof. Reinhard Rack aus Graz sieht die Maßnahmen der EU als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es sei aber zudem geboten, nicht nur den Umweltaspekt bei der Energieerzeugung und vor allem beim Energieverbrauch zu sehen, sondern auch den sozialen Aspekt.
Kromp: „Wir müssen einen erheblichen Teil der Kernkraftwerke abschalten"
Sind wir alle Idioten? Oder sind wir nur krank - Diagnose: energiesüchtig. Müssen wir mit der Kernkraft weiterarbeiten, damit tonnenschwere Autos erzeugt werden können, mit denen wir unsere Straßen ruinieren um diese dann für teures Geld und unter Aufwendung von noch mehr Energie zu erneuern? Mit drastischen Bildern machte der Wiener Risikoforscher Wolfgang Kromp die Dramatik der Situation deutlich.
Warum verurteilen wir Japan und behaupten, die Technologie von Fukushima hätte versagt und kaufen andererseits unseren Toyota, weil der eine so toll ausgefeilte japanische Technologie hat? „Wir tun Japan Unrecht", gab Kromp eine erste Antwort auf heiße Fragen, die derzeit alle bewegen.
Die Kraftwerke von Fukushima waren am Stand der Technik. As good as it gets. Die Kombination der Naturgewalten - Beben und Tsunami - aber war zu viel. Es liegt an uns, die Lehren zu ziehen. Jetzt. Heute! Morgen könnte es zu spät sein. Der einzelne muss sich einschalten, damit die Politik abschaltet. Per Gesetz. Kromp plädiert dabei für einen „sanften Übergang": Wir müssten bereits jetzt einen erheblichen Teil der Kernkraftwerke abschalten. Es gebe zwar welche, die höchsten Standards gerecht werden, wie etwa Isar II in Bayern oder einige M4-Reaktoren in Frankreich: „Mit diesen können wir das Risiko eines kleinen Prozentsatzes in Betrieb befindlicher Kernkraftwerke ertragen", konzediert Kromp, betont aber, dass „die Kernkraft eine Übergangstechnologie ist, von der wir uns so schnell wie möglich verabschieden müssen!"
Energie sparen ist die stärkste Alternative
Und wie soll das funktionieren? Ohne Atomstrom? Wodurch soll der ersetzt werden? Durch erneuerbare Energien, das sei das eine. Das weitaus größte Potential sieht Kromp aber beim Energiesparen. Das Abschalten der Kernkraft beginne beim Einschalten der grauen Gehirnzellen - also bei jeder und jedem Einzelnen.
Atommeiler als Hasardbunker? Nicht in Österreich, bei uns nicht! „Wir" haben ja kein Atomkraftwerk. Ja, die Nachbarn. Da gibt es Krško und Mochóvce und Temelin, und Dukovany und Isar I und noch zwei Dutzend andere. Wenn man auf eines davon verzichtet, um wie viel verringert sich die Gefahr?
Größte Gefahr droht von einem zeitlichen Zusammentreffen von Risiken
„Das Gefahrenpotential liegt nicht nur in einem Erdbeben", kann der Risikoforscher die Bedenken nicht zerstreuen. „Die größte Gefahr besteht durch die Akkumulation, durch ein zufälliges Zusammentreffen verschiedenster Risikofaktoren", warnt Professor Wolfgang Kromp von der BOKU in Wien. „Und diese Faktoren können mit einem an sich harmlosen Erdbeben in Slowenien beginnen und durch alte Bestandteile des Kernkraftwerks bereits dann zur Katastrophe führen, wenn der Faktor menschliches Versagen dazu kommt." Nun, das könne schneller geschehen als uns allen lieb ist. Krško sei von der Bauart, von der Technologie her gesehen, auch ein modernes Kraftwerk. „Es steht an der Save und damit möglicherweise auf dem falschen Platz!" warnt Kromp eindringlich und weist auf die seismologische Problematik von Flüssen hin.
Es sei notwendig, lieber ein politisches Erdbeben in Kauf zu nehmen als „zu spät" zuzuschauen, wie ein seismisches Ereignis eine dichte Kulturregion verstrahlt und zu einem weiteren Sperrgebiet à la Tschernobyl macht.
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