Café Europa - Internet-TV Diskussion: "Towards EU 28 – Am Weg zu den EU 28"

Unter diesem Motto fand am Montag, dem 8. Oktober 2012, eine Diskussion über die Aus-wirkungen des EU-Beitritts Kroatiens auf die steirische Wirtschaft statt. Rede und Antwort zu diesem Thema standen Mag. Claus Tüchler, Geschäftsführer des Internationalisierungscenters Steiermark (ICS), und Univ.-Prof. Mag. Mag.phil. Dr.iur.Tomislav Borić, Leiter des Masterlehrgangs „South East European Law and European Integration" (LL.M.) der Karl-Franzens-Universität Graz und Schiedsrichter am Internationalen Schiedsgerichtshof der Wirtschaftskammer Kroatiens.
Die Diskussion wurde mit der Frage eingeleitet, wie die Entwicklung Kroatiens nach seinem EU-Beitritt aussieht. Dr. Borić erklärte, dass in der Übergangszeit zwischen den Beitrittsver-handlungen und dem tatsächlichen Beitritt Kroatiens zwar eine Angleichung des acquis communautaire der EU vorgenommen wurde, allerdings sei der Besitzstand des Gedanken-guts der EU erst nach dem Beitritt anwendbar - was natürlich bedeute, dass gerade rechtsbe-ratende Tätigkeiten schwierig auszuführen seien.
Auf die Frage, ob Kroatien denn schon bereit sei, der Union beizutreten, stellte Dr. Borić fest, dass wohl keines der Beitrittsländer vor dem Beitritt zur Gänze dazu bereit war - einige Mitgliedsländer sogar bis zum heutigen Tag nicht. In Kroatien kommt erschwerend hinzu, dass es Anfang dieses Jahres zu einem Regierungswechsel kam - dadurch verging sehr viel Zeit, in welcher es zu keinerlei Reformschritten gekommen ist.
Die Bedeutung steirischer Unternehmen als wichtigstes Import-/Exportland für Kroatien unterstrich Mag. Tüchler - immerhin wurden im vergangenen Jahr rund 16,8 Mrd. Euro von der Steiermark exportiert. Kroatien ist sozusagen ein „Heimmarkt" - und das ICS übernimmt die Vorbereitung auf den Markteintritt. Gerade im Bereich des Produktionssektors, der laut Prof. Borić in Kroatien sehr unterentwickelt ist, gebe es überaus gute Möglichkeiten für Investoren - das Lohnniveau ist niedrig, jedoch besitzen die Kroaten oftmals eine sehr gute Fachausbildung.
Prof. Borić führte aus, dass aus wirtschaftsrechtlicher Sicht in Kroatien keinerlei dringende Änderungen in Gesetzestexten vorgenommen werden müssten, allerdings besteht in den Be-reichen der Anwendung, Praxis und Rechtsprechung, also im Bereich „law in action", großer Handlungsbedarf. Dies erklärte er anhand eines Beispiels, welches die Inflexibilität des Ar-beitsmarktes in Kroatien widerspiegelte. Demnach gibt es zwar seit 1995 ein neues, arbeit-nehmerfreundliches Arbeitsrechtsgesetz in Kroatien, leider fehlt es aber an den nötigen Richtern, die dieses auch entsprechend anwenden können. Kurzum, es stehen zu geringe Kapazitäten zur Verfügung.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Unternehmensstruktur in Kroatien. Laut Prof. Borić ist der Staat in großem Stil in der Wirtschaft eingebunden. Da dieser allerdings der größte Schuldner ist, sind die Unternehmen ebenfalls nicht liquide. Man versucht nun eine stärkere Haftung des Geschäftsführers durchzusetzen, was sich allerdings als schwierig erweist.
Spannend war auch die Frage rund um die kroatischen Studenten in Graz - von ca. 5000 Stu-dierenden an der rechtswissenschaftlichen Fakultät kommen etwa 300 aus dem Bereich des ehemaligen Jugoslawiens. Nach dem Beitritt Kroatiens ist vermutlich mit einem weiteren Zuwachs an Studierenden zu rechnen und die Universität Graz hat gute Chancen sich zu positionieren.
In Kroatien selbst werden zwar junge Juristen bereits im Fach Europarecht unterrichtet und somit auf den EU-Beitritt vorbereitet, allerdings handelt es sich dabei um einen „steinigen Weg", welcher beschritten werden muss, da es auch in diesem Bereich an Kapazitäten, kon-kret Europarechts-Professoren, fehlt. Erfreulich ist jedoch, dass Kroatien bereits den Bologna-Prozess umgesetzt hat - während Österreich sich zumindest im juristischen Bereich noch dagegen wehrt.
Abschließend führte Prof. Borić aus, dass die Frage um den EU-Beitritt kein politisches The-ma mehr sei - zu einem Beitritt würde es ganz klar kommen. Allerdings sollte das Augen-merk auf die wirtschaftliche Krise gelegt werden, in welcher sich Kroatien befindet. Sofern ein Sparpaket notwendig werden sollte, dürften sich die Kroaten nach Einschätzungen von Prof. Borić aber nicht zu heftigen Protesten hinreißen lassen.
Pia Jautz