Kosovo: Viele junge Menschen und wenig Perspektiven
Im Café Europa diskutierte Norbert Mappes-Niediek mit Rexhep Bajrami von der Europäischen Initiative für Kosovo
Graz (30.01.2015). - Wie sind die wirtschaftlichen und politischen Zukunftsperspektiven für den Kosovo? Zu dieser Frage diskutierte der Journalist und Südosteuropa-Experte Norbert Mappes-Niediek mit Rexhep Bajrami von der Europäischen Initiative für Kosovo im Medienzentrum des Landes Steiermark am Donnerstagabend beim ersten Café Europa des Landes Steiermark im Jahr 2015.
Der Kosovo war die ärmste Region am Balkan und auch heute noch, nach der Unabhängigkeitserklärung, ist die Wirtschaftslage weiterhin schlecht, die Arbeitslosigkeit extrem hoch und der Kampf gegen die Korruption scheint aussichtslos. Eine Zukunft gibt es für viele junge Menschen nur im Ausland.
Obwohl im Kosovo überdurchschnittlich viele junge Menschen leben (rund 46 Prozent der Bevölkerung sind unter 18 Jahre alt) oder gerade deswegen wandern viele junge Menschen aus, vor allem nach Deutschland, Schweiz und nach Österreich. Die hier lebenden und arbeitenden Kosovaren unterstützen ihre Familien beträchtlich. Nach Angaben des Finanzministeriums des?von Kosovo sind die Überweisungen durch Gastarbeiter aus dem Ausland höher als die im Kosovo erwirtschafteten Werte.
Jene die zurückkehren sind zumeist sehr gut ausgebildet, sprechen mehrere Sprachen und sind in ihrem im jeweiligen Beruf erfolgreich. Sie gründen auch durchaus im Heimatland Unternehmen im Kosovo und bilden ihre Mitarbeiter dort wiederum im gelernten Beruf aus, was die Wirtschaft wiederum ankurbeln kann.
Nichts desto trotz ist eines der größten Problem im Land die Korruption. Arbeit erhält, wer jemanden kennt. Qualifikation ist oft nachranging für die Besetzung von Arbeitsplätzen. Aber auch Wahlen laufen teil nach diesem Prinzip ab. Die Stimme erhält, wer am meisten verspricht oder von dem man Begünstigungen erhofft.
Als am korruptesten gelten landläufig die Gerichte. Wobei Bajrami eher die umgekehrte Erfahrung gemacht hat, dass die Initiative eher von der Bevölkerung kommt, die sich einen besseren Ausgang des Verfahrens erhoffen und weniger von Seiten der Richter. Ähnliches gilt für die Universität. Viele bewerben sich für Studienplätze, aber nur wenige werden genommen oder haben auf Grund schlechter Noten eigentlich keine Chance. Auch hier wird gerne nachgeholfen. Es gäbe einen regelrechten Notenmarkt, merkt Bajrami an. Auch innerhalb des Personalwesens auf der Universität sind ähnliche Vorgänge zu beobachten. Wegen einer dieser zahlreichen Affären muss vor kurzem der Rektor einer Universität gehen.
Die politischen Verantwortungsträger abzuwählen, helfe kaum bis gar nicht, denn alle Parteien würden Veränderungen und viele Arbeitsplätze versprechen oder würden gerne das Visawesen vereinfachen, aber nach dem Machterhalt ändere sich meist gar nichts. Die meisten Wählerinnen und Wähler glauben nicht mehr an die Politik und daher ist die Wahlbeteiligung auch entsprechend gering.
Die Türkei investiert zurzeit umfangreich im Kosovo. So wurde in Flughäfen, Banken, Krankenhäuser, Elektrizitätswerke etc. investiert und die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird weiter verstärkt. Zudem gibt es auch keine Reiseeinschränkungen in die Türkei. Der neue Held der jungen Kosovaren ist daher auch Erdogan und nicht mehr Clinton und Blair wie vor 15 Jahren zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges.
Das nächste Café Europa beschäftigt sich wiederum mit dem Kosovo. Im Fokus stehen weiterhin die europäischen Perspektiven des Kosovo sowie der Prozess des State Building, den die EU durch die Rechtsstaatsmission EULEX unterstützt.
Am 13. März 2015 um 14 Uhr wird es daher um den jungen Staat Kosovo und seine Chancen und Herausforderungen gehen. Der Staatsaufbau im Kosovo gestaltet sich als schwieriger Prozess. Seit 1999 hat sich zunächst die UN und seit 2008 überwiegend die EU mit dem Aufbau von staatlichen Strukturen durch UNMIK und EULEX bemüht, doch sind diese Missionen selbst in die Krise geraten.
Was sind die Hindernisse für das Entstehen gefestigter staatlicher Strukturen und den Demokratisierungsprozess im Kosovo? Darüber spricht Univ.-Prof. Dr. Florian Bieber, Zentrum für Südosteuropastudien der Karl-Franzens-Universität Graz, mit Botschafter Dr. Johann Brieger, Botschaft der Republik Österreich im Kosovo.
Text: Marco Miedl / Heidi Zikulnig


